Römer aus Theresienthal
© Stephan Buse 2007-2014

Kobaltblaue und andersfarbige Gefäße aus Theresienthal um 1915-1920


Die hier vorgestellten kobaltblauen Theresienthaler Gefäße haben neben der Glasfarbe alle eine Gemeinsamkeit: Sie tragen eine Ätzmarke, die aus einem aus zwei Linien gebildeten Oval besteht, in dessen Innerem sich ein ebenfalls ovaler "Spitzenrand" befindet, in dessen Zentrum das Theresienthaler "TH" steht. In anderer Ausführung, nämlich in Gold gemalt und in der Gestaltung etwas reduziert, ist diese Marke ebenfalls nachzuweisen. Auf einem offenbar für den angelsächsischen bzw. angloamerikanischen Markt bestimmten Werbeartikel befindet sich das Theresienthaler "TH" umgeben von einem ovalen "Spitzenrand". Weil manchmal etwas unleserlich verwischt, wird diese Marke fälschlicherweise auch als "TM" gelesen, so z.B. im Band V "Jugendstil in Bayern und Schlesien" des von Georg Höltl herausgegebenen Werkes über das Böhmische Glas, dort Seite 54. Von Christiane Sellner werden ebenda vergleichbare Gefäße Bruno Mauder, dem damaligen Leiter der Zwieseler Fachschule, bei gleichzeitiger Fehlinterpretation der Glasmarke auf einem dieser Gefäße, zugeschrieben. Diese hier von Sellner eingeführte Weise, diese Marke zu lesen, ist falsch, auch wenn der Entwerfer dieser und ähnlicher Gefäße Bruno Mauder gewesen sein sollte. Zwar scheint gesichert, dass Bruno Mauder vergleichbare Gefäße für die Regenhütte entworfen hat (Vergl. Christiane Sellner, Gläserner Jugendstil aus Bayern, Seite 172 ff.. und Schöne-Chotjewitz, Seite 113 (siehe unten)), folgt man allerdings Katrin Schöne-Chotjewitz in ihrem Buch "Die Fachschule für Glasindustrie in Zwiesel unter der Leitung von Bruno Mauder (1910-1948)", dann wird ein Entwurf dieser und ähnlicher Gefäße durch Carl Rehm oder Jean Beck ebenso in Betracht kommen, zumal offenbar das Verhältnis zwischen Bruno Mauder und den Verantwortlichen in Theresienthal nicht spannungsfrei gewesen ist. Jedenfalls ist "das farbige Glas in Kobaltblau" damals "sehr in Mode und wird in unterschiedlicher Qualität in allen Hütten des Bayerwalds produziert" (Ebd., Seite 79). So existieren auf unterschiedliche Weise veredelte kobaltblaue Gefäße dieser Zeit u.a. auch aus der Hand von Bernhardine Bayerl, München, der Firma Echinger und Kleiber, Zwiesel, aus der Fachschule selbst und auch von Jean Beck (mit dessen Ätzsignatur). Nebeneinander gestellt offenbaren diese Gefäße aber durchaus unterschiedliche Nuancen der Farbe Kobaltblau.
Die abgebildete Signatur ist eindeutig als THeresienthal und nicht als Theresienthal Mauder zu lesen. (Vergl. dazu Stephan Buse, Theresienthaler Glasmarken in: Der Glasfreund, Heft 32, August 2009, Seite 14ff.)
Anders als Sellner vermutet, hat nicht Bruno Mauder als Entwerfer dieser Stücke das historisierende Repertoire Theresienthals berücksichtigt (zumal dieses nur bei einigen dieser Theresienthaler Gefäße zu entdecken ist), sondern man hat für Theresienthal Gefäße, die den Entwürfen Mauders (und anderer Entwerfer) vergleichbar waren, entworfen, und zur Abgrenzung gegenüber den Gefäßen nach Entwürfen Mauders (und anderer Entwerfer), die für andere Glashütten gefertigt worden waren, eben die Theresienthaler Ätzmarke eingesetzt hat.






Die hier gezeigten Theresienthaler Gefäße erinnern an kobaltblaue Gefäße in venezianischem Stil, wie sie Bruno Mauder als Direktor der Glasfachschule in Zwiesel entworfen hate und die beispielsweise von der Regenhütte ausgeführt wurden (Vergl. hierzu die Preisliste der Krystallglasfabrik vorm. Steigerwald Regenhütte, Max Burmester und Marianne Streber-Steigerwald, Leipzig o.J., Seite 52-60 (BayHStA 41981, auszugsweise nachgedruckt in Katrin Schöne-Chotjewitz, Die Fachschule für Glasindustrie in Zwiesel unter der Leitung von Bruno Mauder (1910 - 1948), Schriften des Passauer Glasmuseums Band 2, Passau 1997, S. 114ff..) In der besagten Preisliste hat Bruno Mauder selbst die Entwürfe gekennzeichnet, die er für die Regenhütte angefertigt hat.). Hier zunächst zwei Abbildungen aus der Zeitschrift Die Kunst vom März 1915 (Seite 191), die gleichartige Gefäße von Bruno Mauder zeigen:






Formähnliche Gefäße in Kobaltblau, aber auch in Violett und in farblosem Glas, wurden auch von Carl Rehm entworfen und von der Firma Franz Steigerwald's Neffe auf der Deutschen Werkbundausstellung in Köln 1914 ausgestellt, und sie waren auch 1918 noch aktuell:


Abbildung in: Deutsche Form im Kriegsjahr, Die Ausstellung von Köln 1914, München 1915, Seite 94



Abbildung in: Kunst und Handwerk, München 1918, Seite 20


Wo die Firma Steigerwald`s Neffe die von Carl Rehm entworfenen Gläser hat produzieren lassen, war lange unbekannt. In der "Neuen Sammlung - Design in der Pinakothek der Moderne, München" wird eine kobaltblaue Schale allerdings wohl aufgrund des Inventarverzeichnisses folgendermaßen zugeschrieben: "Karl (sic!) Rehm, Schale, Glasfabrik Theresienthal, um 1915. Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)". Das Foto dieser Schale ist im Internet veröffentlicht auf der Website "Jean-Beck.de": Kobaltblaue Schale, Carl Rehm. Diese Schale trägt eine Marke von Carl Rehm, mit der offenbar die von ihm entworfenen und von Franz Steigerwald`s Neffe vertriebenen kobaltblauen Gefäße gekennzeichnet wurden:



Das Inventarbuch der Neuen Sammlung nennt als Produktionsstätte für mehrere von Carl Rehm entworfene Gefäße, ebenso wie für einige in der Sammlung vorhandenen vergleichbaren Gefäße seiner von ihm geschiedenen Ehefrau Wenz-Vietor, die Glasfabrik Theresienthal. Somit sind erste Dokumente gefunden, die eine Verbindung von Carl Rehm über Steigerwald`s Neffe zu Theresienthal belegen. (Mein Dank gilt Fr. Dr. Riemann für die freundlichen Auskünfte!) Währenddessen sind alle bislang nachweislich Theresienthal zuzuschreibenden kobaltblauen Gefäße mit der hier beschriebenen Theresienthaler Ätzmarke versehen worden. Folgendes Szenario ist nun wahrscheinlich: Die Firma Steigerwald`s Neffe hat die von Carl Rehm entworfenen Gefäße in Theresienthal produzieren lassen, und neben dieser Linie für Steigerwald`s Neffe wurde in Theresienthal eine zweite Linie kobaltblauer Gefäße produziert (von wem auch immer entworfen), die im eigenen Namen verkauft wurden. Denn wenn man schon in solchem Glas gearbeitet hat, was liegt da näher, als selbst eine Serie von Gefäßen in dieser Farbe aufzulegen, zumal diese Gefäße um die Zeit des ersten Weltkriegs herum offenbar recht beliebt waren. Wer für Theresienthal die Entwürfe geliefert hat, oder ob Hans von Poschinger selbst die Entwürfe gefertigt hat, bleibt bislang unklar. Im Januar 2011 wurde dem Autor dieser Seite eine Theresienthaler Preisliste aus der Zeit des ersten Weltkriegs bekannt, die einen Teil der hier abgebildeten kobaltblauen Gefäße mit der entsprechenden Marke listet und darauf hinweist, dass diese Formen auch in Grün, Violett und Kristall erhältlich sind.

Hier drei Gefäße in Violett, alle drei Gefäße tragen die Marke von Carl Rehm:








Hier folgen (nicht nur kobaltblaue) Gefäße, die nachweislich aus Theresienthal stammen und mit dem Signet der Glashütte verkauft wurden:




Vase; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.









Vase mit Deckel ca. 33 cm hoch; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.





Vase ca. 23,1 cm hoch, oberer Durchmesser ca. 8,4cm; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.









Vase ca. 17,5 cm hoch; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.





Vase ca.15,8cm hoch,die Öffnung hat einen Durchmesser von ca.9,3cm, fünf verschiedene florale Muster wurden graviert und vergoldet; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.





Schale, ca. 5,5cm hoch, oberer Durchmesser ca. 15cm; umgeschlagener Rand, rippengeprägter Faden; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.





Vase, ca. 21,8cm hoch, oberer Durchmesser ca. 15cm; im balusterartigen Hohlschaft zwei rippengeprägte Scheibennodi; Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.




Vase, ca. 17,2cm hoch, Dekor in Email und Gold; trägt Ätzmarke "TH" im Spitzenrand; ca. 1913-1920.






Fußschale mit Deckel, Höhe ca. 22cm; dunkelblaues Kobaltglas, unterhalb des Deckelknaufes rippengeprägte Scheibe als Erinnerung an die Verzierungen der alten deutschen Gläser. Die Schale trägt unterhalb des Fußes eine Ätzmarke "TH" im ovalförmigen "Spitzenrand".

Die hier gezeigten kobaltblauen Gefäße werfen noch Fragen auf:
1. Die Ätzmarke, die sich auf diesen Gefäßen befindet, lässt sich bislang nur auf vergleichbaren Gefäßen nachweisen. Daher sieht es z.Zt. so aus, als sei diese spezielle Marke nur zur Kennzeichnung dieser speziellen Gefäße verwendet worden. War der Grund dafür, dass diese Gefäße ohne diese spezielle Kennzeichnung (zu) leicht verwechselt worden wären, etwa mit den sehr ähnlichen Gefäßen Bruno Mauders oder Carl Rehms?
2. Welcher Entwerfer zeichnet für diese Gefäße mit Theresienthaler Marke verantwortlich?



Diese Fragen werden sich nur beantworten lassen, wenn Dokumente aufgefunden werden, in denen die entsprechenden Gefäße nachweisbar wären.
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